Ein Abend der Seltenen Erkrankungen

Ich schaff´es trotzdem!

 

Es war schon ein ganz besonderer Abend, für alle Beteiligten. Und etwa 50 Gäste kamen in die Stadtbücherei, um den teils sehr persönlichen Geschichten der Gesprächsgäste zu folgen. So etwa von Annika Gonther, deren Sohn Max an dem Karthagener-Syndrom leidet. Bei der sehr seltenen Erkrankung sind bedingt durch einen Genfehler die Flimmerhärchen der Atemwege defekt. Hinzu kommt, dass die innere Organe zum Teil seitenverkehrt angelegt sind. Chronische Erkältungen, Mittelohrentzündung, Husten sind von Geburt an ein ständiger Begleiter des Jungen. „Ich bin von Klinik zu Klinik mit dem Kind, aber erst in Münster wurde das eigentlich leicht zu erkennende Syndrom erkannt.“ Mehrmals täglich muss der Dreijährige inhalieren, egal, wo er sich befindet. Eigentlich eine Tortur für die ganze Familie, dennoch: Frau Gonther und ihre insgesamt drei Kinder strahlen einen bewundernswerten Optimismus aus. „Es ist jetzt alles gut – wir kommen damit klar.“

Und auch Thomas Grüter sorgte für Aha-Effekte. Der Münsteraner leidet an einer Wahrnehmungsstörung – Prosopagnosie. Gesichter sehen für ihn alle gleich aus, was immer wieder zu unschönen Szenen führt. „Mitmenschen sind nun mal eingeschnappt, wenn man sie nicht grüßt oder auf Anhieb nicht erkennt.“ Er merkt sich andere Personen an dem Gang, der Frisur, der Stimme – doch das klappt eben nicht immer. Grüter befindet sich in prominenter Gesellschaft, denn auch der Schauspieler Brad Pitt gab kürzlich zu, an dieser Schwäche zu leiden. Immer wieder verstand es unser Schrittmacher und Moderator des Abends Matthias Bongard, besondere Momente herauszukitzeln. Das eigentlich sehr ernsthafte Thema bekam durch die lockere Art des WDR-Journalisten eine Leichtigkeit, die allen gut tat. So wurde auch durchaus mal herzhaft gelacht. Etwa, als Roland Kaiser von seiner chronischen Lungenerkrankung COPD erzählte. Kaiser ist der Stiftung seit einigen Jahren eng verbunden und berichtete sehr offen von seiner krankheitsbedingten Atemlosigkeit. Bongard: „Ich wollte gerade vorschlagen, das wäre doch ein toller Titel für ein Lied: Atemlos!“

Henry Wahlig kam das gerade recht. Der Sohn unseres Stiftungsgründers leidet an HSP und ist mittlerweile bei längeren Wegen auf den Rollstuhl angewiesen. Dennoch warnt er andere Betroffene davor, die Krankheit zum absoluten Lebensmittelpunkt zu machen. „Das Leben gibt noch so viel her. Es gibt so viel, dass man trotzdem erreichen und genießen kann. Und es wäre fatal, das alles zu verpassen, weil man sich nur noch mit der Erkrankung beschäftigt.“ Trotzdem: Rat einholen, Gleichgesinnte treffen, sich austauschen – das, so machte Wilfried Strunz von der ACHSE deutlich, sei von unschätzbarem Wert für Betroffene. Die ACHSE und Selbsthilfegruppen könnten einem in vielen Situationen wertvolle Stütze sein. Nicht zu vergessen die Menschen, die nicht betroffen sind und sich trotzdem engagieren, so wie etwa Wolfgang Hölker. Der Chef des Coppenrath-Verlags in Münster wurde erst jüngst mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet für sein selbstloses Engagement und nahm sich ebenfalls Zeit, um an dem Gespräch teilzunehmen. Genauso wie PD Dr. Tobias Warnecke von der Uniklinik Münster, der dort die HSP-Sprechstunde leitet und mit großem Einsatz die Betroffenen betreut und berät.

„Das war ein toller Abend“ – so war am Ende der Veranstaltung vielfach zu hören. Und: „Wir freuen uns aufs nächste Mal!“ Dem können wir uns nur anschließen.