Reduktion des Kandidatenintervalls und Identifikation von Kandidatengenen und Mutationen bei SPG5 und SPG30 positiven Familien


Applicant:

Stephan Klebe, Dr. med. INSERM U 679 Hôpital de la Salpêtrière 75013 Paris/France  E-mail: klebe@ccr.jussieu.fr

 

Die hereditäre spastische Spinalparalyse (HSP) repräsentiert eine Gruppe von familiären neurodegenerativen Erkrankungen meistens charakterisiert durch eine progressive spastische Paraparese der unteren Extremität.

Hinsichtlich der autosomal rezessiven Formen der HSP (ARHSP) ist relativ wenig bekannt. Nach der Identifizierung des ersten ARHSP Locus auf Chromosom 8q, konnten bis heute 12 weitere Loci und drei verantwortliche Gene veröffentlicht werden.

Im Gegensatz zu den autosomal dominanten HSP Formen repräsentieren Patienten mit ARHSP meist komplexe Phänotypen, die assoziiert sein können mit cerebellärer Ataxie, Atrophie des Nervus opticus, Pes cavus (SPG7), mentaler Retardierung, distaler peripherer Neuropathie (SPG14), retinaler Degeneration, distaler Amyothrophie, Dysarthrie, mentaler Retardierung (SPG15; Kjellin Syndrom), Entwicklungsverzögerung, Kleinwuchs (SPG20; Troyer Syndrom), Dysarthrie, distaler Amyothrophie, preseniler Demenz (SPG21; Mast Syndrom), peripherer Neuropathie, anormale Haut und Haar Pigmentierung (SPG23; Lison Syndrom) oder Bandscheibenvorfällen (SPG25).

Das Hauptziel der geförderten Arbeit ist die Identifizierung eines neuen Genes welches für die ARHSP verantwortlich ist. Dabei werden wir uns auf zwei Formen der ARHSP – SPG5 und die kürzlich identifizierte Form SPG30 konzentrieren. Die Hauptziele des geförderten Projektes sind:

  1. Identifizierung weiterer SPG5 und SPG30 positiver Familien mit autosomal rezessivem Erbgang

  2. Reduktion des chromosomalen Kandidatenintervalls mittels Linkageanalyse und Lodscore

  3. Identifikation von Kadidatengenen

  4. Direkte Sequenzierung von Kandidatengenen und Auffinden neuer Mutationen

  5. Bestätigung potentieller neuer Mutationen

Hinsichtlich der Form SPG30 konnten wir in einem Kandidatengen mittels direkter Sequenzierung eine potentielle "Missense Mutation" auffinden. Diese innerhalb verschiedener Säugetierspezies stark konservierte Aminosäure konnte bislang nur bei betroffenen Mitgliedern der SPG30 positiven Familie gefunden werden.

Wir planen daher bei der SPG30 zwei verschiedene Strategien zu verfolgen diesen Beweis zu erbringen. Zum einen werden wir versuchen mittels "Linkage Analyse" weitere Familien zu finden, die mit SPG30 assoziiert sind. Dabei werden zunächst Familien ausgewählt, die aufgrund ihres Phänotypes zu der positiven SPG30 Familie passen könnten. Bei positiven liierten Familien werden wir anschließend das potentiell SPG30 verursachende Gen direkt sequenzieren. Ferner werden phänotypisch passende kleine consanguine Familien, bei denen eine "Linkage Analyse" und "Lod Score" Berechnung aufgrund ihrer Größe nicht möglich ist, ausgewählt. Liegt bei diesen Familien ein homozygoter Status der Mikrosatteliten vor, die sich an der jeweiligen Grenze des Genes befinden, werden wir dieses direkt sequenzieren. Ziel ist es dabei nicht nur die bereits bekannte potentielle Mutation zu bestätigen, sondern auch andere "Missense Mutationen" oder Veränderungen wie Insertionen, Deletionen oder "Stop Codons" zu finden.

Auf zellulärer Ebene werden wir versuchen zu zeigen, dass das veränderte Protein pathologische Konsequenzen für die neuronale Zelle hat. Dabei wird der "Wildtyp" mit dem überexpremiertem verändertem Protein intrazellulär verglichen. Speziell bei diesem Protein werden wir versuchen zu zeigen, dass das beeinträchtigte Protein einen konkreten Einfluss auf den axonalen Transport und seine Komponenten hat, oder andere zelluläre Mechanismen provoziert. Wir glauben, dass diese in unserem Labor durchzuführenden Experimente und etablierten Methoden zum Verständnis der pathologischen Effekte der potentiellen "Missense Mutation" beitragen können.

Bei der SPG5 gelang es durch Vorarbeiten das Kandidatenintervall durch die Identifikation neuer Familien auf eine chromosomale Region von insgesamt 12,4cM mit 60 Genen zu reduzieren. Daher wird das Hauptziel bei dieser ARHSP sein weitere SPG5 positive ARHSP Familien zu identifizieren, um das Kandidatenintervall weiter zu verringern. Dies hat zur Konsequenz eine geringere Anzahl von potentiellen Kandidatengenen zu erhalten.

Parallel zur Reduktion der Region werden wir beginnen, die sich unter den 60 verbliebenen Genen befindlichen Kandidatengene zu analysieren. Dabei wird zunächst, ähnlich wie bei SPG30, das Hauptaugenmerk darauf gelenkt, ob sich auf dieser Region Gene befinden, die eine starke neuronale Expression haben und am axonalen Transport bzw. mitochondrialem Stoffwechsel beteiligt sind. Diese Kandidatengene werden darauf folgend direkt sequenziert, um neue Mutationen zu identifizieren.

Zusätzlich zu diesen molekulargenetischen Projekten wird bei beiden Formen der ARHSP, in Kooperation mit der Klinik für Humangenetik an der Salpetrière in Paris, der Phaenotyp für die SPG5 und SPG30 positiven Familien erstellt.

Insgesamt könnte das von der TWS geförderte Projekt daher einen weiteren Baustein für das pathophysiologische und klinische Verständnis der Erkrankung liefern.

Abschlussbericht

SPG5:

Achtzehn Familien mit ARHSP wurden für diese Studie ausgewählt (sechs Familien mit klinisch "reiner" Verlaufsform; zwölf Familien mit "komplizierter" Verlaufsform).

Nach Ausschluss einer Kopplung zu den Loci für FRDA1, ARSACS, ACCPN, ALS5 und den bekannten ARHSP Loci (SPG7, SPG11, SPG15, SPG21, SPG24, SPG27, SPG28, SPG30, SPG32) zeigte die genomweite Untersuchung einer französischen Familie Hinweise auf eine Kopplung von zwei konsekutiven Markern auf Chromosome 8q12. Der errechnete "Multipoint Lodscore" von 2,6 entsprach dem maximal zu erwartenden Wert in dieser Familie. Fünf weitere Loci mit einem "Multipoint Lodscore" von >1 wurden unter Anwendung weiterer Marker ausgeschlossen. Der maximale "Multipoint Lodscore" Wert von 2.6 wurde im Intervall zwischen den Markern D8S1113-D8S1694 ermittelt. Dieses Intervall zeigt eine teilweise Überlappung mit dem bekannten SPG5 Lokus und erlaubt eine Reduzierung auf eine 5,9 Megabasen (Mb) große Region zwischen D8S1113 und D8S544. Die bioinformatische Analyse dieser Region ergab, dass insgesamt 44 Gene in dieser Region bekannt sind.

Das Intervall zwischen den Markern D8S1113 und D8S544 wurde bei 16 weiteren ARHSP Familien durch Rekonstruktion des Haplotypes bzw. durch "Multipoint Lodscores" Werte unter -2 ausgeschlossen. In einer weiteren konsanguinen Familie algerischer Herkunft wurde eine Kopplung zu dem SPG5 Locus durch einen "Multipoint Lodscore" von 2,3 zwischen den Markern D8S1113 - D8S1807 angenommen. Die Kopplung zu anderen SPG Loci (SPG7, SPG11, SPG15, SPG21, SPG24, SPG27, SPG28, SPG30, SPG32) und den Loci für ARSACS, ACCPN, ALS5 wurde in dieser Familie durch entsprechende Mikrosatelliten ausgeschlossen. Kombiniert man beide Familien so wurde ein "Multipoint Lodscore" von 4,9 in der Region D8S1113 und D8S1807 erreicht.

Die bioinformatische Recherche von verschiedenen Datenbanken zeigte, dass sich auf der reduzierten SPG5 Region 44 bekannte Gene befinden. Aufgrund ihrer physiologischen Funktion wurden einige als Kandidatengene ausgewählt und direkt sequenziert. Für den SPG5 Locus wurden vier Gene, die möglicherweise am axonalen Transport bzw. am Metabolismus der Mitochondrien beteiligt sind (RAB2, Serine/Threonin Kinase Family EC 2.7.1.37, ASPH und BHLHB5) untersucht. Zwei weitere sequenzierte Gene kodieren für das "Alpha-Tocopherol Transfer Protein" (TTPA), welches bei der "Vitamin E Mangel Ataxie" involviert ist, und ein weiteres Mitglied der "Alpha-Tocopherol Transport Protein" Familie (Q8NB32). Diese Kandidatengene wurden ausgewählt, da die Phänotypen von mehreren ARHSP Formen, ähnlich der SPG5 in dieser Arbeit, klinisch Zeichen einer cerebellären Beteiligung aufwiesen. Zusätzlich wurde das COPS5 Gen sequenziert, da das Genprodukt möglicherweise Interaktionen mit Spastin eingeht. In allen analysierten Genen wurden keine Mutationen bzw. Polymorphismen gefunden.

Der Phänotyp der beiden zu dem SPG5 Locus gekoppelten Familien bestand aus einer im Vordergrund stehenden spastischen Paraparese mit einem teilweisen Verlust der Tiefensensibilität. Bei einigen Patienten mit langem Krankheitsverlauf zeigten sich zusätzlich klinische Zeichen einer Beteiligung des Kleinhirns.

 

SPG30:

Für den neuen Locus SPG30 auf Chromosom 2q37 konnten wir durch die Auswahl von Kandidatengenen und die anschließende direkte Sequenzierung eine Variante mit einem konsekutiven Aminosäureaustausch in einem potentiell für die SPG30 verantwortlichem Gen identifizieren. Dieses ist, wie viele andere ursächlichen HSP Gene, ebenfalls am axonalen Transport beteiligt. Zum Nachweis der Kausalität der gefundenen Variante in diesem Gen wählten wir verschiedene genetische und funktionelle Strategien. Zum einen wurden insgesamt 32 weitere konsanguine und nicht-konsanguine ARHSP Familien auf eine mögliche Kopplung des Locus SPG30 untersucht. Dabei konnte leider keine weitere SPG30 positive Familie gefunden werden. Zusätzlich wurde die bei Antrag bestehende Anzahl von 400 gesunden Kontrollprobanden auf 500 erhöht. Dabei wählten wir unterschiedliche ethnische Hintergründe der Kontrollprobanden (kaukasisch, afrikanisch, indisch) um auszuschließen, dass es sich bei der Variante um einen seltenen Polymorphismus handelt. Es zeigte allerdings keiner der gesunden Kontrollprobanden die in der SPG30 gefundene Variante. Die betroffene Aminosäure erscheint beim Vergleich mit verschiedenen Säugetierspezies sehr konserviert zu sein, was ein weiteres Indiz für eine neue Mutation darstellt.

In immunhistochemischen Versuchen mit monoklonalen Mausantikörpern gegen das entspreche Protein konnten wir die neuronale Expression gesamten Cerebrum beweisen. Zurzeit wird in Koorperationsarbeiten versucht auf funktioneller Ebene den Nachweis zu erbringen, dass das veränderte Protein andere Eigenschaften als der "Wild Typ" des Proteins aufweist.