Wie machst du das?
HSP-Betroffene berichten aus ihrem Alltag
Zur Person
Name:
Walter
Alter:
61
Wohnort:
Leisnig/Sachsen
Beruf: Geschäftsführender Gesellschafter
TWS: Seit wann weißt Du sicher, dass Du HSP hast?
Ab meinem 6. Lebensjahr sagten die Ärzte, dass ich ein auffälliges Gangbild hätte, dann galt ich schlicht als gehbehindert, mit 25 bekam ich die Diagnose HSP.
TWS: Wie hast Du die Zeit der Diagnosestellung empfunden? Hätte dabei etwas anders oder gar besser sein können?
Als ich im Alter von 25 Jahre die Diagnose bekam, hat mich das wenig interessiert. Ich habe es zur Seite geschoben und war bis zum meinem 45. Lebensjahr nicht mehr zu Untersuchungen beim Arzt. Mein Beruf stand im Vordergrund. Zusätzlich zu HSP wurde bei mir auch noch das Kleinefelder Syndrom festgestellt. Deshalb konnte ich keine eigenen Kinder zeugen. Meine erste Ehe zerbrach. Ich heiratete nochmal und adoptierte die drei Kinder meiner Frau.
TWS: Wie geht es Dir seitdem?
Bis zu meinem 52. Lebensjahr hatte ich so gut wie keine Einschränkungen, war allerdings nicht höhentauglich, was als Chef eines Gerüstbau Unternehmens schon eine starke Einschränkung bedeutete. Dann bekam ich eine Zyste im Spinalkanal, die operativ entfernt werden musste. Daraufhin konnte ich zwei Jahre lang nur mit Gehilfen laufen. Danach war meine Mobilität einigermaßen gut. Mit 57 bekam ich eine Thrombose im Bein, von da an musste ich wieder an Krücken laufen damit ich mein Gleichgewicht halten konnte. Heute bin ich je nach Länge der Strecke, die ich zurücklegen muss, mit oder ohne Gehhilfen unterwegs.
TWS: Wie gestaltet sich Dein Alltag mit HSP (Arbeit, Schule, Hobbys, Zeitmanagment, Reisen…) ?
Von meinem 25 bis zu meinem 55. Lebensjahr war ich stark übergewichtig. Dann habe ich mit einer Low Carb Diät und einem eisernen Willen 50 kg abgenommen. Gerade wenn man wie ich beruflich viel unterwegs ist, ist es schwer so eine Diät durchzuhalten. Mein Idealgewicht habe ich nicht (mehr), ich wiege zur Zeit bei einer Körpergroße von 186 cm 110 kg.
Ich versuche mich gesund zu ernähren, regelmäßig zur Krankengymnastik zu gehen und auf Ruhephasen zu achten.
Als geschäftsführender Gesellschafter eines mittelständischen Unternehmens nehme ich viel an Konferenzen und Tagungen teil und bilde mich fortlaufend weiter. Lebenslanges Lernen – das ist meine Devise.
Obwohl in den letzten Jahren immer mehr von Integration und Inklusion die Rede ist, sehe ich davon auf den Chefetagen wenig bis nichts. Ich bin meistens der Einzige mit einer Behinderung. Das finde ich sehr bedauerlich.
Traurig macht es mich, dass sogar bei Preisverleihungen nicht an Menschen gedacht wird, die wie ich Mühe haben die Treppenstufen zu einer Bühne erklimmen können. So erlebt bei der Verleihung des „Großen Preis des Mittelstandes“ 2019. Im meinem Blog walter-stuber.de/2019-09/ploetzlich-rampenlicht-beobachter-preisverleihung-gehst-ueberraschend-ausgezeichnet habe ich ausführlich darüber berichtet.
Aber ich lasse mich nicht ausbremsen und gehe meinen Weg – auch wenn das Laufen manchmal mühsam ist und es nicht schön aussieht, wenn man mit Krücken auf offiziellen Fotos zu sehen ist.
Auf meiner Homepage steht der Slogan: „Mutig anders unterwegs“ – das fasst das zusammen, wie ich ticke.
In den schweren Lebensphasen, wenn ich gesundheitlich angeschlagen bin, das Bewegen schwerfällt, hat mich der Glaube an Gott durchgetragen und mir neue Kraft geschenkt.
In meiner Freizeit arbeite ich gerne in unserem Garten, baue zusammen mit den Söhnen und Enkelkindern an unserem Baumhaus. Ich gehe gerne in der Natur spazieren und fahre Rad.
Auch das Bloggen www.walter-stuber.de gehört zu meinen Hobbys.
Zusammen mit meiner Frau habe ich mir einen Traum erfüllt: Wir haben uns ein Harley-Trike gekauft, das maßgeschneidert ist für meine Behinderung.
TWS: Wie geht Dein nahes und ferneres Umfeld (Freunde, Familie und Bekannte/ Leute, die man nicht häufig sieht, Fremde, z.B. in der Stadt, im Straßenverkehr, beim Einkauf, bei Hobbys…) mit Dir um?
Dass ich motorische Einschränkungen habe, ist alle bekannt und ist akzeptiert. Man kennt mich als Mutmacher – www.mutmacher.jetzt und so sieht man mich auch.
TWS: Was wünscht Du Dir im Umgang mit Dir und Deinen Einschränkungen?
Bei meiner Reise in die USA habe ich erlebt, wie man in einer guten Art und Weise mit Behinderten umgehen kann. Diese Mentalität würde ich mich hier in Deutschland auch wünschen. Dort ist es viel selbstverständlicher, dass es Menschen mit Handicaps gibt.
Ganz persönlich sehe ich es so: Für mich ist HSP gar nicht so schlimm, es gibt wirklich viel schlimmere Erkrankungen.
TWS: Welche Aktivitäten machst Du gerne? Was hast Du neu für Dich entdeckt? Was kannst Du nicht mehr machen und vermisst es gegebenenfalls?
Ich mache das, was mir Spaß macht und manchmal auch verrückte Sachen. Wie ein Urlaub mit Frau und Enkeltochter im Schäferwagen. Da habe ich allerdings sehr deutlich gemerkt, dass das nichts mehr für mich ist.
Ich habe mir ein Harley-Trike gekauft und habe es behindertengerecht umbauen lassen. Das war lange ein großer Traum von mir. Meine Frau hat mich dazu ermutigt ihn wahr werden zu lassen.
TWS: Was bedeutet Dir der Austausch mit anderen HSP-Betroffenen? Was bedeutet Dir die Selbsthilfearbeit?
Mir fehlt einfach die Zeit um mich diesbezüglich zu engagieren, finde den Austausch grundsätzlich gut!
TWS: Fühlst Du Dich von Ämtern, Behörden, Politik und Gesellschaft (auch ArbeitgeberInnen, MitarbeiterInnen an Schulen und Kitas etc.) ausreichend unterstützt? Was wünscht Du Dir hier noch?
siehe oben – Preisverleihung
TWS: Möchtest Du Dir und anderen HSPlern noch etwas mit auf den Weg geben, was Dir wichtig erscheint?
Schau nicht auf das, was nicht (mehr) geht, sondern auf das, was Du kannst! Lebe Dein Leben nach Deinen Möglichkeiten und sei glücklich. Sei ein Mutmacher!
TWS: DANKE fürs Mitmachen!